Ein paar erlesene Bundesgerichtsentscheide ...
Schwellenwert der Drogenmenge für schwere Betäubungsmitteldelikte
Mit Urteil vom 29. Juli 2019 (BGer 6B_504/2019) hat das Bundesgericht seine bisherige Praxis bestätigt. Die festgelegten Mindestmengen der verschiedenen Drogen für die Annahme eines schweren Betäubungsmitteldelikts mit Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr gelten weiterhin:
Massgeblich ist die Menge an reiner Droge. Kann diese mangels Laboranalyse nicht exakt eruiert werden, wird auf den durchschnittlichen Reinheitsgrad auf dem Markt abgestellt. Sind die vorgenannten Schwellenwerte erreicht, dann weiss oder zumindest muss der Täter annehmen, dass er die Gesundheit vieler Menschen unmittelbar oder mittelbar in Gefahr bringt, weshalb er gestützt Auf Art. 19 Abs. 2 lit. a Betäubungsmittelgesetz (BetmG, SR 812.121) mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann, bestraft wird. Im konkret zu beurteilenden Fall ging es unter anderem um Drogendelikte im Zusammenhang mit "Crystal Meth" (Methamphetamin).
Entstehen an der Sache Mängel, die der Mieter weder zu verantwor¬ten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat, oder wird der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Sache gestört, so kann der Mieter von Wohn- oder Geschäftsräumen den Mietzins gemäss Art. 259a Abs. 2 OR hinterlegen. Das Verfahren ist in Art. 259g ff. OR geregelt. Die Mietzinshinterlegung setzt unter anderem voraus, dass der Mieter vom Vermieter unter Fristansetzung die Beseitigung eines Mangels schriftlich verlangt, und dass er ihm androht, bei unbenütz¬tem Ablauf der Frist Mietzinse die künftig fällig werden bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle zu hinterlegen. Ferner muss er die Hinter¬le¬gung dem Vermieter schriftlich ankündigen.
Nur künftige Mietzinsen können mit der Wirkung einer Bezahlung gegenüber dem Vermieter hinterlegt werden. Wer Mietzinsen hinterlegt, die bereits zu zahlen (fällig) gewesen wären, riskiert eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs (BGer 4A_571/2020 vom 23. März 2021).
UNRECHTMÄSSIGE "NOT"-HAUSDURCHSUCHUNG
ERFOLGREICHE BESCHWERDE VOR BUNDESGERICHT
1B_519/2017 Urteil vom 27. März 2018
Wohnungen dürfen (auch ohne Einwilligung der berechtigten Person) durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass in den betreffenden Räumen Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind (Art. 244 Abs. 2 StPO). Hausdurchsuchungen im Vorverfahren werden in einem schriftlichen Befehl der Staatsanwaltschaft angeordnet. In dringenden Fällen können sie mündlich angeordnet werden, sind aber nachträglich schriftlich zu bestätigen (Art. 241 Abs. 1 i.V.m. Art. 198 Abs. 1 StPO). Ist "Gefahr im Verzug", so kann die Polizei im Vorverfahren ohne staatsanwaltlichen Befehl Durchsuchungen vornehmen; sie informiert darüber unverzüglich die Staatsanwaltschaft (Art. 241 Abs. 3 i.V.m. Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO; s.a. Art. 263 Abs. 3 StPO; BGE 143 IV 270 E. 7.5 S. 283 mit Hinweisen; zur amtl. Publ. bestimmtes Urteil 1B_394/2017, nicht amtl. publ. E. 3.2).
Die polizeiliche „Not“-Hausdurchsuchung war im vorliegenden Fall gesetzeswidrig: weder die Vorinstanz noch die Staatsanwaltschaft legen dar, inwiefern hier ein Fall von „Gefahr in Verzug“ (Art. 241 Abs. 3 i.V.m. Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO) vorgelegen hätte, der ausnahmsweise eine sofortige polizeiliche Hausdurchsuchung sachlich erfordert hätte.
Im Lichte der strafrechtlich nicht gravierenden Vorwürfe haben Polizei und Staatsanwaltschaft auffallend massive Zwangsmassnahmen angewendet, die empfindlich in die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und in die Privatsphäre des Beschwerdeführers (Art. 13 Abs. 1 BV) eingreifen. Dazu gehören die Verhaftung am Arbeitsplatz, die polizeiliche „Not“-Hausdurchsuchung der Privatwohnung, umfangreiche Sicherstellungen, insbesondere des privaten Mobiltelefons inklusive gespeicherte Privatkommunikation sowie eines Laptops mit privaten und geschäftlichen Dokumenten, die Beschlagnahme von Medikamenten sowie das Entsiegelungsgesuch für sämtliche sichergestellten elektronischen Geräte und Aufzeichnungen.
BETRUUNGSUNTERHALT
NEU "SCHULSTUFEN-MODELL" ALS RICHTLINIE FÜR ERWERBSTÄTIGKEIT
5A_384/2018 Urteil vom 21. September 2018
Anlässlich einer Berufung an das Bundesgericht hat dieses im Rahmen eines Scheidungsverfahrens die bisher in der Praxis herrschende 10/16-Regel aufgegeben und sich stattdessen für das "Schulstufen-Modell" als neu allgemeingültige Richtlinie ausgesprochen. Das Schulstufen-Modell entspricht eher der heutigen gesellschaftlichen Realität.
Der unterhaltsberechtigte Ehegatte soll seine Leistungsfähigkeit grundsätzlich ab Einschulung des jüngsten Kindes möglichst ausschöpfen, weil er von der Betreuung entlastet wird und während dieser Zeit arbeiten gehen kann. Demnach soll der hauptbetreuende Elternteil ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich zu 50 % einer Erwerbsarbeit nachgehen, zu 80 % ab seinem Eintritt in die Sekundarstufe und zu 100 % ab vollendetem 16. Lebensjahr. Dies gilt künftig auch beim ehelichen oder nachehelichen Unterhalt zwischen verheirateten oder geschiedenen Eltern. Selbstverständlich muss gegebenenfalls eine angemessene Übergangszeit für die Stellensuche zugesprochen werden. Ferner kann das Gericht im Einzelfall davon abweichen, um unbillige Entscheide zu verhindern.
Das Bundesgericht erinnert daran, dass der Gesetzgeber die Eigen- und Fremdbetreuung als gleichwertige Betreuungsmodelle betrachtet. Grundsätzlich entscheiden die Eltern darüber. Entscheidend ist das Kindeswohl. Bei fehlender Einigung der Eltern im Trennungs- oder Scheidungsfall soll in einer ersten Phase übergangsweise das von diesen vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes praktizierte Betreuungsmodell fortgeführt werden, weil stabile Verhältnisse dem Kindeswohl dienlich sind, aber für die weitere Zeit, gerade wenn keine elterliche Vereinbarung über das Betreuungsmodell besteht, das Schulstufenmodell angewendet werden.
Darüber hinaus, namentlich aber auch für Kinder im Vorschulalter, muss der Richter prüfen, ob im konkreten Einzelfall vor- oder ausserschulische Betreuungsangebote bestehen, welche angemessen sind und von der persönlichen Betreuung entlasten können. Entsprechende Angebote sind insbesondere dann näher zu prüfen, wenn die finanziellen Mittel knapp sind und eine Ausdehnung der Erwerbsarbeit ökonomisch sinnvoll erscheint.
BETREUUNGSUNTERHALT FÜR KINDER, BEMESSUNG NACH DER "LEBENSHALTUNGSKOSTEN-METHODE"
5A_454/2017 Urteil vom 17. Mai 2018
Das Bundesgericht hatte in einem Eheschutzverfahren mit Unterdeckungskonstellation zu entscheiden, ob die vom Kantonsgericht Genf angewandte Berechnungsmethode für die Unterhaltsbemessung zulässig sei. Das Bundesgericht hat den Fall öffentlich beraten und sich unmissverständlich für die "Lebenskosten-Methode" ausgesprochen. Der Betreuungsunterhalt umfasst demnach grundsätzlich die Lebenshaltungskosten der betreuenden Person, soweit diese wegen der Kinderbetreuung nicht selber dafür aufkommen kann.
Zur Beurteilung stand das neue Kindesunterhaltsrecht von 2017, wonach gemäss Art. 276 und 285 Zivilgesetzbuch (ZGB) der Unterhalt auch der Gewährleistung der Betreuung der Kinder dient. Der Gesetzgeber äusserte sich nicht zur Art und Weise der Berechnung des Betreuungsunterhalts und hielt lediglich fest, dass jedes Kind grundsätzlich Anspruch auf die "bestmögliche Betreuung" habe.
ALTERNIERENDE OBHUT
Kinder sollen auch nach einer Trennung oder Scheidung eine regelmässige Beziehung zu beiden Elternteilen aufrechterhalten.
Die alternierende Obhut ist allerdings nicht als Regelfall im Gesetz verankert, sondern nur im Einzelfall anzuordnen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Gerade der häufige Wechsel des Aufenthaltsorts kann für das Kind eine grosse Belastung sein.
Kriterien für die alternierende Obhut sind in den beiden Bundesgerichtsentscheiden: Urteile 5A-904/2015 und 5A_991/2015 vom 29.09.2016 zu entnehmen.
Entscheidender Faktor ist immer das Wohl des Kindes.
Zunächst müssen beide Eltern erziehungsfähig sein. Ferner erfordert die alternierende Obhut gezwungenermassen organisatorische Massnahmen, sprich die Eltern müssen fähig und bereit sein, in den Kinderbelangen zusammen zu kommunizieren und zu kooperieren. Des Weiteren darf die Distanz zwischen den Wohnungen der Eltern nicht zu gross sein. Wichtig ist auch die Stabilität, die eine Weiterführung des bisherigen Betreuungsmodells für das Kind mit sich bringt. Zu berücksichtigen sind auch die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, das Alter des Kindes, seine Beziehungen zu Geschwistern und seine Einbettung in ein soziales Umfeld. Kinderwünsche hinsichtlich der Betreuungsanteile der Eltern sind zu beachten, wenngleich diese bezüglich der Frage der Betreuungsregelung noch nicht urteilsfähig sind.